Handlungsmacht von Leiharbeiter_innen

Leitung:  PD Dr. Matthias Schmidt
Team:  Dipl.-Geogr. Frank Radzioch
Jahr:  2015
Förderung:  Eigenfinanzierung
Laufzeit:  2009 - 2015
Ist abgeschlossen:  ja

In meiner Dissertation beschäftige ich mich am konkreten Beispiel des neoliberalen Diskurses mit der grundsätzlichen Frage, wie groß – vor dem Hintergrund einer diskurstheoretischen Weltsicht und Theorieperspektive – der Spielraum der Subjekte für, ‚Geographie machende’, agency bzw. widerständige Subjektivierungsweisen ist.
Die Arbeit ist dergestalt aufgebaut, dass ich zunächst zentrale, sich auf Foucault beziehende, poststrukturalistische Konzepte – Diskurs, Dispositiv und Gouvernementalität – komprimiert darlege und die Genese einer kapitalistischen nationalstaatlichen Moderne, welche die Individuen als ökonomisch nützliche und zu nutzende Subjekte anruft, in ihren Kontext stelle. Dieser Theorieteil mündet in der These, dass die zeitgenössische Verwertung und Subjektivierung der ‚Körper und Köpfe’ im Wissens- und Regierungszusammenhang eines neoliberalen Wahrheitsregimes organisiert wird, welches danach strebt eine durch Unsicherheit und Unverbindlichkeit geprägte Erwerbs- bzw. Lohnarbeitskultur als einzig sag- und denkbare Gesellschaftlichkeit zu installieren.

Im darauf folgenden empirischen Teil untersuche ich dann, welches Wissen den Subjekten von mächtigen Sprecher_innen als Applikationsvorgabe angeboten wird und inwiefern sich die Individuen auf diese aufgefundene – neoliberale!? – Subjektivierungsformierung bezüglich ihrer Subjektbildung und ihres Seinsverständnisses beziehen. Die Analyse besteht aus drei grundlegenden Schritten: Erstens lege ich den inhaltlichen Kern des Neoliberalismus frei, indem ich politisch-ökonomische und gouvernementalitätstheoretische Neoliberalismus-Literatur auf ihre zentralen Aussagen hin auswerte. Zweitens analysiere ich, inwiefern dieses zuvor theoretisch extrahierte neoliberale Wissen im empirischen (erwerbsarbeits-)gesellschaftlichen Raum als‚ tatsächlich gesprochenes’ Wissen kursiert. Dafür werte ich qualitative Interviews aus, die ich mit institutionellen Vertreter_innen des für die Organisation von Erwerbsarbeit(er_innen) elementaren korporatistischen Machtdreiecks aus Staat (Arbeitsverwaltung), Kapital (Arbeitgeber_innen) und Arbeit (Gewerkschaften und Betriebsräte) geführt habe. Drittens untersuche ich auf der Basis von teilnarrativen Leiharbeiter_innen-Interviews, ob sich die in den ersten beiden Analyseschritten aufgefundenen Wissensfiguren bei ihnen wiederfinden lassen und elementar für ihre Handlungen und ihr Selbstverständnis sind.

Die Dissertation kann damit – aufgrund von Antworten auf die Frage ‚Wie neoliberal sind die Subjekte im Neoliberalismus?’ – einen Beitrag zu der Diskussion leisten, wie viel Handlungsmacht den Subjekten im Diskurs bleibt, sie möchte nicht zuletzt aber auch dazu beitragen, die (hegemonialen) Diskurse offen zu halten.